Bad Segeberg (em) Dem Handwerk in Mittelholstein geht es gut - das wurde einmal mehr auf dem 40. Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft Mittelholstein deutlich. Rund 130 Gäste feierten bestens gelaunt den Auftakt für 2019 im Vitalia Seehotel in Bad Segeberg.

Kein Wunder: die Auftragsbücher sind voll, viele Betriebe ausgelastet. Doch es gibt auch „Dauerbaustellen“, für die immer dringender Lösungen gefunden werden müssen: Dazu zählt etwa der bei vielen Innungen fehlende Nachwuchs, der sich daraus ergebende Fachkräftemangel, ebenso das hochkomplexe Vergaberecht bei Bauaufträgen. Auch das Thema Schwarzarbeit stand im Fokus des Empfangs.

Carsten Kock moderierte locker-flockig mehrere Small Talks - zuerst standen ihm Kreishandwerksmeister Michael Kahl und der Segeberger Landrat Jan Peter Schröder Rede und Antwort. Etwa auf die Frage, welche Schulnote sie denn vergeben würden für die aktuelle Situation der Handwerks-Betriebe. Kahl gab eine „Zwei plus“, er sagte: „Die Auftragsbücher sind voll, wir können uns nicht beklagen.“ Zu schaffen mache den Innungsmitgliedern aber der Fachkräftemangel und das geringe Interesse der Jugendlichen, eine Ausbildung im Handwerk zu beginnen.

Doch dieses Problem, machte Kahl deutlich, gehe man nun vom Handwerk Mittelholstein aus entschiedener an. Er zählte mehrere Projekte auf, die das Ansehen des Handwerks bei Jugendlichen verbessern sollen - darunter eine Ferienspaßaktion, Info-Besuche von Schulklassen beim Handwerk sowie, ganz neu in 2019, eine Kooperation zwischen der Kreishandwerkerschaft und einem Gymnasium, die Praktika in den Betrieben erleichtern und den Austausch fördern soll. Es gebe den Azubiworkshop „Praxis in Schule“ am BBZ in Bad Segeberg, in Neumünster werde eine Lehrstellenrallye veranstaltet. Das große Ziel: Vorurteile über die Ausbildung beseitigen und das Image des Handwerks aufpolieren. „Der Kontakt zwischen Schüler und Lehrling ist uns dabei besonders wichtig, denn es wird die gleiche Sprache gesprochen“, so Kahl.

Landrat Schröder vergab im Small Talk immerhin eine „Zwei bis Zwei plus“ fürs Handwerk. Er sprach das „superkomplizierte“ Vergaberecht an: „Mein Wunsch ist es, das zu vereinfachen.“ Dem pflichtete Kahl sofort bei, er sagte: „Der Bürokratismus ist unser größtes Problem. Unterhaltet euch mal mit uns - wir haben für diese Vergabe-Arien gar keine Zeit, sondern Arbeit zu tun!“, was für spontanen Applaus auf dem Empfang sorgte. Und zahlreiche roten Karten, mit denen die Gäste ihren Unmut zeigten. Es könne nicht sein, dass mittlerweile eher Juristen denn Ingenieure an der Vergabe arbeiteten, hieß es. Beide waren sich einig, dass das Verfahren vereinfacht werden müsse - sonst würden Betriebe und Verwaltung zugleich ausgebremst. Kahl nannte zudem die Schattenwirtschaft ein Problem. Er regte an, eine regionale Gruppe ins Leben zu rufen, die sich der Bekämpfung von Schwarzarbeit widmen solle.

Günther Stapelfeldt, scheidender Präsident der Handwerkskammer Lübeck, sprach in einer weiteren Small-Talk-Runde mit Thorsten Freiberg, Präsident vom schleswig-holsteinischen Handwerksverband, ein „heißes Eisen“ für viele Handwerksbetriebe an: die Nachfolge. Denn die Inhaber von etwa 35 Prozent derUnternehmen sind älter als 55 Jahre. Oft ist ein geeigneter Kandidat für eine Übergabe nicht in Sicht - im schlimmsten Fall muss ein erfolgreicher Betrieb dann abgewickelt werden. Stapelfeldt lobte deshalb den Versuch der Politik, mit Fördergeldern die Übernahme durch jüngere Handwerksmeister attraktiver zu machen: „Da sind wir bundesweit in vorderster Reihe.“

In vorderster Reihe steht oft auch Moderator Carsten Kock - auf dem Neujahrsempfang hielt er nun den Festvortrag zum Thema Werbung. Er spielte dem Publikum zahlreiche Audioclips von früher vor, etwa die „Du darfst“ - und Nescafe-Melodie sowie viele weitere, teils auch gewagte Reklame-Ideen. Deutlich wurde zweierlei: der hohe Wiedererkennungswert der Werbung und die vielen Wege, die zum Ziel führen können - im Fall des regionalen Handwerks dazu, erfolgreich um Nachwuchs zu werben.

Dass Handwerk durchaus Spaß machen kann, das beweisen gleich sieben Landessieger-Titel, die Azubis aus Betrieben in Mittelholstein beim Wettbewerb in 2018 eingefahren haben: Zu ihnen zählt zum Beispiel Michel Christofferson vom Betrieb Kraushaar in Neumünster, der 1. Landessieger wurde. Michael Holst, Informationselektroniker für Bürosystemtechnik aus Bimöhlen, siegte gemeinsam mit seinem Ausbildungsbetrieb Brückner in Neumünster sogar auf Bundesebene, wurde dort dritter.

Während die jungen Handwerksgesellen ihre Karriere noch vor sich haben, erhielt Malermeister Siegfried Jessen eine besondere Auszeichnung: Vor rund 50 Jahren bestand er seine Meisterprüfung - dafür und für viele Jahre ehrenamtlicher Tätigkeit im Handwerk erhielt er den Goldenen Meisterbrief.